Weibliche Thronfolge. Vier Modelle als Diskussionsgrundlage

Von AKIYAMA JUNKO

Bei der fünften Konferenz einer Beratungskommission des Ministerpräsidenten wurden am 11. 5. in dessen Residenz vier Modelle für eine Neuregelung der Thronfolge erarbeitet. Alle machen den Weg frei für die Möglichkeit einer Frau auf dem Kaiserthron und der matrilinearen Erbfolge. Auf der Grundlage dieser Modelle wird die Kommission jetzt mit der eigentlichen Beratung beginnen.

Artikel 1 der gegenwärtig gültigen, in den Gesetzen innerhalb des Kaiserhauses (kôshitsu tenpan) niedergelegten Regelung sieht nur patrilineare maskuline Thronfolge („zum Mannesstamm der Kaiserfamilie gehörige Söhne“, kutô ni zoku suru dankei no danshi) vor. Artikel 2 legt die Priorität der direkten Deszendenten des Kaisers, seiner Kinder und Enkel also, fest. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht angesichts der Tatsache, daß seit der Geburt von Prinz Fumihito, dem jüngeren Bruder des Kronprinzen, im Jahr 1965 kein weiterer Sohn mehr geboren wurde, die Gefahr, daß irgendwann in der Zukunft die Kontinuität der Monarchie (tennôsei) abreißen könnte.

Durch die Einführung der Möglichkeit femininer und matrilinearer Thronfolge würde sich der Kreis der Thronanwärter und dann -anwärterinnen schlagartig vergrößern. Acht Frauen saßen in der Vergangenheit, die meisten im 6. und 7. Jahrhundert n. Chr., auf dem japanischen Thron, darunter die Kaiserinnen Suiko und Jitô. Eine matrilineare Erbfolge (also die Weitergabe der Herrschaft durch eine Kaiserin an ihre direkten, männlichen oder auch weiblichen, Nachkommen, d. Ü.) gab es noch nie.

[Illustration, nicht aufgenommen]

Kaiser Akihito (*1933) hat außer einem Onkel, Prinz Mikasa no miya Takahito (*1915), und einem jüngeren Bruder, Prinz Hitachi no miya Masahito (*1935), mit Kaiserin Michiko (*1934) drei Kinder: Kronprinz Naruhito (*1960), Prinz Akishino no miya Fumihito (*1965) und Prinzessin Nori no miya Sayako (*1969). Der Kronprinz hat mit Prinzessin Masako (*1963) eine Tochter, Prinzessin Toshi no miya Aiko (*2001). Prinz Akishino hat zwei Töchter, Prinzessin Mako (*1991) und Prinzessin Kako (*1994). Während der Bruder des Kaisers kinderlos blieb, hat sein Onkel mit Prinzessin Yoriko (*1923) fünf Kinder: Prinzessin Mikasa no miya Yasuko (*1944), Prinz Mikasa no miya Tomohito (*1946; er hat zwei Töchter, die Prinzessinen Akiko und Yôko), Prinz Katsura no miya Yoshihito (*1948), Prinz Takamado no miya Norihito (*1950; er hat drei Töchter, die Prinzessinen Tsuguko, Noriko und Ayako) und Prinzessin Mikasa no miya Masako (*1951).

Alle vier Modelle räumen wie die gültige Regelung den direkten Deszendenten des Kaisers Priorität ein. Sie unterscheiden sich folgendermaßen:

1. Primogenitur ohne Rücksicht auf das Geschlecht (daiikko yûsen)

2. dito, unter Geschwistern aber Vorrang der männlichen Kinder (kyôdai shimai no aida danshi yûsen)

3. Beibehaltung der patrilinearen maskulinen Thronfolge (dankei danshi yûsen), in deren Ermangelung „Entscheidung nach anderen Faktoren“ (sore igai no yôso de kettei) (?, d. Ü.).

4. maskuline Thronfolge (danshi).

Dem Kaiser würden nach der jetzigen Regelung und auch nach den Modellen 3 und 4 auf den Thron folgen: der Kronprinz, dessen Bruder, der siebzigjährige Bruder des Kaisers, der neunzigjährige Onkel des Kaisers und schließlich dessen drei Söhne. Die ersten fünf dieser Personen finden sich in der Abbildung auf S. 20 links unten wieder: kôtaishi, Akishino no miya sama, Hitachi no miya sama, Mikasa no miya sama, Mikasa no miya Tomohito sama. Würden die Modelle 1 und 2 zugrundegelegt, sähe die Thronfolge dagegen so aus (Fünferblock rechts daneben): der Kronprinz (kôtaishi), seine Tochter Aiko (Toshi Aiko sama), sein Bruder Fumihito (Akishino no miya sama) und dessen Töchter Mako (M. sama) und Kako (K. sama).

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Jedes der Modelle hat Vor- und Nachteile. Die Primogenitur (Modell 1) ist zwar leichtverständlich (wakariyasui), aber ein Kaiserhaus-Experte weist darauf hin, daß, wenn es dazu käme, daß Prinzessin Aiko dem jetzigen Kronprinzen auf den Thron folgte, „manche Menschen beim Anblick einer Frau auf dem Thron in naher Zukunft Widerstand empfinden (teikô o kanjiru)“ könnten. Im Fall der Annahme von Modell 2 könnte, sobald der Kronprinz oder sein Bruder noch männlichen Nachwuchs produzieren würden, die dynastische Kontinuität zwar bis auf weiteres (tômen), aber mit noch unabsehbarer Verzögerung (okureru) gesichert werden.

Ferner werden als Mittel zur Beibehaltung der gegenwärtigen Thronfolgeregelung auch eine Belebung der früheren, durch die Nachkriegsverfassung abgeschafften Institution der Kaisersippe (kôzoku) und Adoptionen in Erwägung gezogen werden.

Auf der Sitzung am 11. 5. wurden für jedes Modell die Personen des Kaiserhauses zugeordnet und der Zeitplan festgelegt. In den nächsten beiden Sitzungen werden die Kommissionsmitglieder ihre Ansichten vortragen und mit der eigentlichen Debatte beginnen.

Kommissionsvorsitzender ist der Vorstandsvorsitzende des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST, Sangyô gijutsu sôgô kenkyûjo) Yoshikawa Hiroyuki. Er betonte, daß die Aufgabe der Kommission darin bestehe, über den Zusammenhang von Geschichte und Tradition nachzudenken (rekishi to dentô no kankei o dô kangaeru ka da; wofür man sich guten Gewissens etwas Zeit nehmen sollte . . . , d. Ü.). Die Anerkennung einer Kaiserin werde nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung von Mann und Frau (danjo byôdô) erfolgen, denn es handele sich um eine „Frage der japanischen Geschichte“, was etwas anderes (betsu) sei als die gesetzliche Gleichstellung der Geschlechter. Zwei Kriterien würden die Kommission bei ihrer Arbeit leiten: die Gewährleistung einer sicheren Thronfolge und die Akzeptanz bei der Bevölkerung (kokumin ni totte wakariyasui).

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Auch nach einer Regelung mit der Möglichkeit weiblicher Thronfolge werden Fragen offen bleiben. So verlieren weibliche Mitglieder der kaiserlichen Familie bisher, sobald sie heiraten, diesen Status (aktuelles Beispiel ist Prinzessin Sayako, die einen Bürgerlichen heiraten wird, s. S. 14, d. Ü.). Da entsprechende Neuregelungen ihr Verbleiben in der kaiserlichen Familie und zusätzlich noch die Aufnahme ihrer Gatten zur Folge hätte, würde die Kaiserfamilie starken Zuwachs bekommen. Wie weit dieser gehen dürfe, wird noch festzulegen sein. Die Regierung strebt eine Neuregelung im nächsten Jahr innerhalb der regulären parlamentarischen Sitzungsperiode an. Die Kommission möchte bis zu diesem Herbst eine Beschlußempfehlung (ketsuron) herbeigeführt haben, aber noch ist nicht klar, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann.

16. 5. 2005, S. 9 (Frank Böhling)