Manga. „Tagebuch eines Verschollenen“ von Azuma Hideo

von MINAMI NOBUNAGA

[Illustration, nicht aufgenommen]

AZUMA HIDEO, der in den achtziger Jahren mit seinen surrealen (shûru na) Science-Fiction-Parodien und Manga mit schönen Mädchen (bishôjo mono) eine ganze Generation verführte und von den Fans wie ein Guru verehrt wurde, galt eines Tages ganz plötzlich als verschollen. Es folgten Jahre der Obdachlosigkeit, harter körperlicher Arbeit und Alkoholabhängigkeit, von denen „Tagebuch eines Verschollenen“ (Shissô nikki) ungeschminkt und unsentimental Zeugnis ablegt.

Auf eigenen Erlebnissen beruhende Episoden, die von Tipps für das Sammeln von Schnepsresten an den für die Müllabfuhr von Flaschen vorgesehen Tagen bis zu schockierenden Einsichten in die schlampige Ausführung von Gasarbeiten reichen, werden im leichten Ton eines Essay-Manga aneinandergereiht.

Es gibt zahllose Autoren, die sich viel auf die furchtbaren Erfahrungen einbilden, die sie durchlitten haben und nun in Romanen und anderen Werken Revue passieren lassen. Als Manga-Komiker versteht sich Azuma Hideo perfekt darauf, dies so zu erzählen, daß der Leser unbefangen über sie lachen kann. Die geistige Finsternis und Trauer über das Leben, die vom Grund dieses Lachens aufsteigt, sind bei Azuma keine Phrasen aus zweiter Hand. Wenn er während seiner Wanderschaften Leuten, die ihm begegneten, Streiche spielt oder der Hauszeitschrift der Sanitärfirma, für die er eine Zeitlang Rohre verlegte, seine Manga einreichte, dann kann es keine Zweifel geben, daß Azuma ein Vollblutautor ist.

Ôtsuka Eiji hat geschrieben, daß jeder derer, bei dem der Name Azuma Hideo vielfältige Erinnerungen auslöst, sich dieses Buch gleich zehnmal kaufen solle, um die heute etwas peinlich gewordene Zeit nicht zu vergessen, in er er ein Otaku war. Allerdings ist es vollkommen in Ordnung, wenn auch junge Menschen, die bei diesem Namen nicht in Erinnerungen schwelgen können, seine Manga lesen. Sie können in einem Leben als Kompaß dienen, das zu Fragen nach dem Wesen der Arbeit, des Selbstausdrucks und des Lebens selbst nötigen.

20. 3. 2005, S. 22 (Frank Böhling)