„The nobility of failure“. Auch eine mechanische Puppe muss nicht perfekt sein

Von SATô HISASHI

Eine Puppe macht Handstandüberschlag eine Treppe hinunter, eine andere schießt mit Pfeil und Bogen. . .  Die bereits in der Edo-Zeit (1600–1868) so beliebten mechanischen Spielzeugfiguren karakuri ningyô (wörtl. „mechanische Puppe“, d. Ü.) verbinden die Freude am Spielen mit höchsten technologischen Fertigkeiten. Am 12. 3. 2005 eröffnete der Automobilhersteller Toyota eine Ausstellung mit 350 Gegenständen aus seiner Wissenschaft- und Technik-Sammlung, welche im Zeitraum ab Mitte der Edo-Zeit bis zum Anfang der Meiji-Zeit (1868–1912) hergestellt worden waren. Während das Land in der Edo-Zeit nach außen hin abgeschlossen war, spezialisierten sich die Japaner auf Technik als Massenkulturgut. Hier liegen wohl auch die Wurzeln für das heutige japanische „Großreich der Roboter“ (robotto daikoku).

[Illustration, nicht aufgenommen] Stellt man die Puppe auf die oberste Sprosse der kleinen Treppe, „springt“ sie langsam mit einem Salto rückwärts von Stufe zu Stufe, bis sie unten angelangt ist. Dieses Ausstellungsstück wurde in der späten Edo-Zeit hergestellt, es enthält im Kopf und im Hinterteil Quecksilber. Wie bei einer Sanduhr fließt das Quecksilber langsam durch ein Röhrchen, der Schwerpunkt verlagert sich und die Puppe wiederholt ihre Bewegungen. „Erst sammelt sie für eine Weile ihre Kraft und fängt dann an, sich zu bewegen. In Wahrheit ist sie also ziemlich vermenschlicht (ningen kusaku)“, so Maejima Masahiro (?), verantwortlicher Experte am Staatlichen Museum für Wissenschaft. Damals waren die mechanischen Puppen als Vorführobjekte sehr beliebt, bis nach Europa sogar drangen Erzählungen über die Puppe, die eine Treppe hinunter springt. Es soll dort auch nach ihrem Modell eine automatische Puppe nachgebaut worden sein.

„Das interessante an den karakuri ningyô ist jedoch, dass sie gelegentlich auch einmal ‚versagen‘. Sie sind gerade nicht so perfekt wie automatische Puppen“, berichtet Katô Hiroshi (?), Leiter der Technikrestaurationsabteilung des Instituts für Kulturschätze in Tôkyô. In Europa seien die Puppen nur für die kaiserliche Familie und den Adel bestimmt gewesen, ein „Versagen“ der Puppe daher undenkbar. In Japan hingegen sei bei der Entwicklung alles daran gesetzt worden, sie bis zu einem gewissen Grad ab und zu „versagen“ zu lassen. „So hat man, so lange man auch zuschaut, nie genug von der Puppe. Der menschlichen Psyche wurde auf diese Weise perfekt entsprochen!“

Beispielsweise gibt es eine gewisse Spanne bei der Landung auf dem Boden mit den Händen oder Füßen. „Damit die Puppe hierbei niemals umfällt, müsste die Bewegung eigentlich fixiert werden, um sicher zu gehen. Doch gerade dies wurde nicht gemacht,“ so ein weiterer Experte vom Staatlichen Museum für Wissenschaft, Suzuki Hitoshige (?).

Die Toyota-Collection umfasst 524 Sammlerstücke (karakuri ningyô, medizinische Geräte, Bilder etc.) von der Mitte der Edo bis zum Anfang der Meiji-Zeit. Sie stammen im Wesentlichen aus dem Besitz eines Sammlers aus Kobe, der sie nach dem Hanshin-Erdbeben (Januar 1995, d. Ü.) auflöste und welche Toyota im Jahr 1999 erwarb. Die Ausstellung findet vom 12. 3. 2005 bis zum 25. 9. 2005 im Industrietechnik-Gedenkmuseum in Nagoya statt. Erwachsene zahlen 700 ¥, Mittel- und Oberschüler 400 ¥ sowie Grundschüler 300 ¥ Eintritt.

[Illustration, nicht aufgenommen] Auch der karakuri-Bogenschütze (yumihiki dôji), der in der Bakumatsu (1856–1868)- bzw. frühen Meiji-Zeit als Meisterwerk des berühmten „Karakuri Giemon“ (wirklicher Name: Tanaka Hisashige, der Gründer der heutigen Firma Tôshiba, d. Ü.) gefertigt wurde, trifft bei hundert Versuchen nicht jedes Mal in die Mitte. Wenn man den Abstand zur Zielscheibe oder die Form der Pfeile absichtlich verändert, „kann man so auch das ‚Versagen‘ inszenieren.“

Von den 12 Fäden im inneren der Puppe dienen über die Hälfte der Bewegung des Kopfes. „So sind feine Bewegungen wie beim menschlichen Kopf möglich.“ Obwohl es dieselben Bewegungen sind, meint man, der Puppe beim Treffen der Zielscheibe Freude, beim Danebenschießen jedoch Enttäuschung anzusehen. „Diese vorgesehenen veränderlichen ‚Empfindungen‘ haben die karakuri ningyô auch mit den heutigen humanoiden bzw. Haustierrobotern gemein“, berichtet Suzuki.

„Ich glaube, dass das Verständnis des japanischen Gemüts mit seinem Interesse für seltsame Dinge und der Freude am Spielen wesentlich ist für die Entwicklung der heute weltweit so berühmten Markenprodukte aus Japan. “

6. 3. 2005, S. 19 (Cosima Wagner, Japanologie Frankfurt)